Eine Misteltherapie ist gut mit einer Chemotherapie kombinierbar. Häufig wird das Mistelpräparat parallel zur Chemotherapie gegeben, um deren Verträglichkeit zu verbessern und krankheits- und therapiebedingte Symptome zu lindern [25, 31, 41, 42, 43, 44, 45, 46, 47, 48].
Eine multizentrische, epidemiologische Kohorten-Vergleichsstudie an 1.442 Patientinnen mit primärem, nichtmetastasiertem Mammakarzinom zeigte, dass die Patientinnen, die zusätzlich zur Standardtherapie eine Misteltherapie erhielten, statistisch signifikant weniger Nebenwirkungen entwickelten als die Patientinnen mit alleiniger Standardtherapie [41].
In einer prospektiven zweiarmigen Studie [27] konnte zudem gezeigt werden, dass bei Brustkrebspatientinnen durch die gleichzeitige Gabe einer Misteltherapie (Iscador M) signifikant weniger durch Chemotherapie (Cyclophosphamid+Methotrexat+5-Fluorouracil-Schema oder Epirubicin+Cyclophosphamid-Schema) induzierte Übelkeits- und Erbrechensymptome auftraten. Zudem war die Gabe von Glukokortikoiden in der kombinatorischen Gruppe signifikant niedriger.
In einer randomisierten kontrollierten dreiarmigen Studie bei Brustkrebspatientinnen im Stadium IA konnte gezeigt werden, dass sich Schmerzen und Appetitlosigkeit in der Gruppe mit Chemotherapie (Cyclophosphamid, Adriamycin und 5-Fluorouracil) plus Mistelextrakte (Helixor A, Iscador M) signifikant verbesserten im Vergleich zur Kontrollgruppe mit nur Chemotherapie [49]. Eine antinozizeptive (schmerzlindernde) Wirkung von Viscum album L. Extrakten ist bereits bekannt [50, 51]. In der Follow-up-Studie findet sich kein Hinweis auf eine reduzierte Wirksamkeit der Chemotherapie hinsichtlich krankheitsfreiem Überleben bei paralleler Gabe von Iscador oder Helixor bis zu fünf Jahre nach Therapieende [46, 48].
Eine weitere prospektive randomisierte kontrollierte klinische Studie an 233 Patient*innen mit Mamma-, Ovarial- und nicht-kleinzelligem Lungenkarzinom (NSCLC) zeigte ebenfalls auf, dass unter Misteltherapie signifikant weniger chemotherapiebedingte Nebenwirkungen auftraten und sich die Lebensqualität signifikant verbesserte [31].
In einer multizentrischen, epidemiologischen Kohortenstudie wurde die Wirksamkeit einer Misteltherapie bei 804 Patient*innen mit primärem, nicht metastasiertem kolorektalem Karzinom der UICC-Stadien I bis III untersucht. Geprüft wurde u.a. die Häufigkeit der durch die Chemo-/Radio-therapie bedingten Nebenwirkungen. Es konnte gezeigt werden, dass eine Misteltherapie ergänzend zur konventionellen onkologischen Basisbehandlung die durch diese Therapien bedingten Nebenwirkungen statistisch hoch signifikant verringern kann [42].
In einer weiteren multizentrischen, epidemiologischen Kohortenstudie bei 396 Patient*innnen mit einem Pankreaskarzinom aller Schweregrade (UICC-Stadien I bis IV) wurde das Mistelpräparat Iscador als Teil einer supportiven Therapie zwei- bis dreimal pro Woche zusätzlich zur adjuvanten Chemotherapie, insbesondere mit Gemcitabin (± Radiotherapie) oder ergänzend zur onkologischen Nachsorge subkutan appliziert. In der Iscador-Gruppe wurden signifikant weniger durch Chemo- und/oder Radiotherapie bedingte Nebenwirkungen beobachtet als in der Kontrollgruppe. So entwickelten in der Misteltherapiegruppe nur 14 Prozent diese Nebenwirkungen, in der Kontrollgruppe dagegen fast 50 Prozent [45].
Es konnte gezeigt werden, dass die Inhaltsstoffe von Mistelpräparaten über die Leber metabolisiert und sowohl über die Nieren als auch über den Darm ausgeschieden werden [40].
Um die metabolische Induktionsaktivität von Mistelgesamtextrakten an Leberzellen (HepG2-Zellen) zu untersuchen [52] wurden HepG2-Zellen den Mistelgesamtextrakten abnobaVISCUM Quercus, Helixor M sowie Iscador M und Qu spezial ausgesetzt. Anschließend untersuchte man ihren Metabolismus hinsichtlich des Cytochrom P450-abhängigen Monooxygenase-(Phase-I-)Systems sowie der Konjugation von lipophilen Substanzen mit Glucuronsäure und Sulfaten als Ausdruck der Phase II-Reaktion. Für die Phase I-Reaktion wurden das Phenoxazon-Derivat 7-Ethoxyresorufin als spezifisches Substrat für CYP 1A1 und 1A2 und die Aminophenazon-Demethylierung spezifisch für Cytochrom P450 3A1 und 3A2 gewählt. Die Phase II-Reaktion wurde anhand der p-Nitrophenol-UDP-Glucuronyl-Transferase gemessen.
Kein Mistelpräparat beeinflusste die Umsatzrate durch CYP 3A1 und 3A2 signifikant. Ebenso hatte auch keine Induktion von CYP 1A1 und 1A2 stattgefunden. In der p-Nitrophenolkonjugation zeigte sich, dass alle Präparate die Konjugation beschleunigen.
In einer in vitro-Untersuchung wurde geprüft, ob eine Hemmung von CYP 3A4 durch pflanzliche Arzneimittel, u.a. durch Mistelextrakte, hervorgerufen werden kann [53]. Dabei zeigte sich in vitro, dass der CYP 3A4-Stoffwechsel durch Iscador zwar etwas gehemmt wurde, jedoch wurde hierbei eine so hohe Dosierung gewählt, wie sie klinisch nicht erreicht werden kann. Sie hat somit keine klinische Relevanz durch systemische oder intestinale Interaktionen.
In einer anderen in vitro-Studie wurde untersucht, ob Iscador in klinisch relevanten Konzentrationen die Aktivität konventioneller Chemotherapeutika wie Doxorubicin, Gemcitabin, Docetaxel, Cisplatin etc. beeinflusst [54]. Die Ergebnisse zeigen, dass Iscador M und Iscador Qu spezial in keiner der verwendeten experimentellen Konfigurationen die zytostatische und zytotoxische Wirksamkeit dieser verschiedenen gebräuchlichen Chemotherapeutika auf Mamma-, Prostata- und Pankreaskarzinom-Zelllinien beeinträchtigen.
Obwohl diese in vitro-Daten nicht direkt auf die komplexe in vivo-Situation übertragen werden können, insbesondere im Hinblick auf Arzneimittel, die einerseits subkutan und andererseits intravenös oder oral appliziert werden, können sie zum gegenwärtigen Wissensstand über die Sicherheit für Krebspatient*innen, die eine Misteltherapie in Kombination mit einer Chemotherapie erhalten, beitragen.
Zur Sicherheit und Toxizität von Mistelextrakten (Helixor A s.c. bis 250 mg) und möglichen Interaktionen mit dem Standardchemotherapeutikum Gemcitabin bei Patient*innen mit fortgeschrittenen Tumoren wurde eine detaillierte Phase-I-Studie durchgeführt [55]. Es fanden sich eine gute Verträglichkeit und keine dosislimitierende Toxizität des Mistelextrakts sowie keine Beeinflussung der Plasmakonzentration von Gemcitabin bei kombinierter Gabe. Zudem war der klinische Response der kombinierten Gabe vergleichbar mit dem der alleinigen Gabe von Gemcitabin.
Zellkulturexperimente weisen darauf hin, dass bei einer Kombination von chemotherapeutischen Arzneimitteln und Mistelpräparaten keine Risiken bestehen [56]. In vitro-Experimente (2010) zeigten, dass Mistelpräparate gesunde menschliche Zellen des Immunsystems (mononukleäre Zellen des peripheren Blutes), jedoch nicht die malignen Zellen (maligne Jurkat-Zellen) vor zytostatischen Effekten einer Chemotherapie (4-hydroperoxycyclophosphamide) schützen [57].
Die Behandlung von 25 Zelllinien und 47 humanen Tumor-Xenotransplantaten mit definiertem Mistellektin-Gehalt in wässriger Lösung ergab einen dosisabhängigen zytotoxischen und anti-proliferativen Effekt, ähnlich dem der zu vergleichenden Doxorubicin-haltigen Chemotherapie-Substanz [58]. Interessanterweise war der wässrige Mistelextrakt bezüglich der zytotoxischen Effektivität 3-4 logs potenter, verglichen mit Adriamycin (Doxorubicin).
Für die Gabe von Mistellektin I (ML-I) und Paclitaxel konnte eine synergistische in vitro-Zytotoxizität und ein apopototischer Zelltod von Hepatokarzinom-Zellen gezeigt werden [60].
Die Kombination von Mistel-Agglutinin-1 (VAA-1) mit Chemotherapie zeigte bei Bronchialkarzinomzellen synergistische zytotoxische Effekte, vor allem in der Kombination VAA-1 plus Cyclohexamid [61].
Eine weitere in vitro-Studie ergab, dass die Anwendung von Mistelextrakten (Helixor A, M, P) nicht zu einer Inhibierung der klinisch relevanten Cytochrom P450-Isoenzyme (CYP Isoenzyme) führt [62], die eine wichtige Rolle bei der Metabolisierung chemotherapeutischer Substanzen wie Taxanen, Cyclophosphamiden, Doxorubicin und Vinblastin spielen. Es konnte aufgezeigt werden, dass in vivo keine Interaktionen zwischen klinisch relevanten CYP-Isoenzymen und Mistelpräparaten zu erwarten sind [62].
In der Zusammenschau der Resultate ergeben sich keine Hinweise, dass eine parallel gegebene Chemotherapie durch Mistelpräparate abgeschwächt wird. Vielmehr weisen sie auf einen synergistischen positiven Effekt der Kombination hin.