Zu beachten sind in diesem Zusammenhang auch die Ergebnisse im Kapitel zur Versorgungsforschung.
Schad et al. 2023 [330]
In diese monozentrische Real-World Data Studie wurden Patient*innen mit histologisch gesichertem primären Lungenkarzinom, die im DKG-zertifizierten Lungenkrebszentrum des Gemeinschaftskrankenhauses Havelhöhe Berlin untersucht und behandelt wurden, aufgenommen. Hierzu mussten auswertbare Datensätze zur selbstberichteten Lebensqualität mindestens zum Zeitpunkt der Erstdiagnose (T0) und 12 Monate später (T1) verfügbar sein. Die Angaben zum Tumorstadium (UICC), den durchgeführten Operationen und Bestrahlungen, zu den Behandlungsschemata sowie zur selbstberichteten Lebensqualität wurden aus dem Netzwerk Onkologie Register entnommen. Die Lebensqualität wurde anhand der Auswertung der Skala des Fragebogens der European Organisation for Research and Treatment of Cancer zur gesundheitsbezogenen Lebensqualität (EORTC QLQ-C30) bewertet. Eine adjustierte multivariate lineare Regressionsanalyse wurde zur Analyse der Faktoren durchgeführt, die mit den Veränderungen der Lebensqualität nach 12 Monaten einhergingen.
Insgesamt 112 Patient*innen mit einem primären Lungenkarzinom aller Stadien, wobei 92% an einem nicht-kleinzelligen Lungenkarzinom erkrankt waren und ein mittleres Alter von 70 Jahren aufwiesen, wurden in 4 Gruppen eingeteilt:
Sie beantworteten die Fragebögen bei der Erstdiagnose und 12 Monate später. Die Bewertung der Veränderungen der Lebensqualität nach 12 Monaten ergab eine signifikante Verbesserung von 27 Punkten für Schmerzen (p = 0,006) und 17 Punkten für Übelkeit/Erbrechen (p = 0,005) bei Patient*innen, die eine Strahlen- und Misteltherapie erhielten. Ebenso konnten signifikante Verbesserungen von 15 bis 21 Punkten für die Rollenfunktion (p = 0,03) sowie die körperliche (p = 0,02), kognitive (p = 0,04) und soziale Funktion (p = 0,04) bei den Patient*innen beobachtet werden, die eine Misteltherapie erhielten ohne worden bestrahlt zu sein.
Eine zusätzliche Misteltherapie wirkte sich positiv auf die Lebensqualität von Lungenkarzinom-Patient*innen aus. Insbesondere bei Patienten mit Bestrahlungstherapie konnte eine signifikante Reduktion von Schmerzen und Übelkeit/Erbrechen beobachtet werden.
Schad et al. 2018 [100]
Die Daten für diese nicht-randomisierte multizentrische Beobachtungsstudie bei 158 Patient*innen mit histologisch gesichertem nicht-kleinzelligem Lungenkarzinom (NSCLC) im Stadium IV wurden aus dem klinischen Register des Netzwerks Onkologie (NO-Datenbank) erhoben.
Zur Ermittlung des Einflusses der Misteltherapie auf die Überlebenszeit wurden die Daten von zwei Patient*innengruppen einbezogen, wobei die eine Gruppe mit 108 Patient*innen nur eine Chemotherapie und die andere Gruppe mit 50 Patient*innen eine Kombination aus Chemo- und Misteltherapie erhielt. Es wurden nur Patient*innen ausgewertet, die noch mindestens 28 Tage nach der Diagnosestellung am Leben waren. Das durchschnittliche Alter betrug ca. 64 Jahre; es gab keine statistisch signifikanten Unterschiede zwischen den beiden Gruppen.
Die Erstlinien-Chemotherapie bestand aus Platinverbindungen (73,4%), oft in Kombination mit Gemcitabin, Pemetrexed, Vinorelbin oder Etoposid. Die Patient*innen, die eine zusätzliche Misteltherapie erhielten (mit abnobaVISCUM, Helixor, Iscador), bekamen sie meist s.c. appliziert, teilweise auch in Kombination mit Infusionen (Off-Label-Use).
Das mediane Gesamtüberleben betrug in der Gruppe mit zusätzlicher Misteltherapie 17 Monate im Vergleich zu 8 Monaten in der Gruppe, die nur die Chemotherapie erhielt. Der Unterschied war statistisch signifikant (p = 0,007). Die Ein-Jahres-Überlebensrate betrug in der Chemotherapiegruppe 35,5 Prozent im Vergleich zu 60,2 Prozent in der Gruppe mit zusätzlicher Misteltherapie und die Drei-Jahres-Überlebensrate betrug 14,2 versus 25,7 Prozent.
Die adjustierte multivariate stratifizierte Cox-Proportional-Hazard-Analyse zeigte, dass die begleitende Misteltherapie bei NSCLC-Patient*innen im Stadium IV das Sterberisiko signifikant um 56 Prozent reduzierte, verglichen mit einer alleinigen Chemotherapie (adustiertes Hazard Ratio: 0,44, 95% CI = 0,26–0,74, p = 0,002). Zudem reduzierte eine Verlängerung der Misteltherapie auf ≥ 16 Wochen das Sterberisiko signifikant (p = 0,007).
Die Ergebnisse dieser Real-World Data Studie deuten darauf hin, dass Patient*innen mit NSCLC im Stadium IV, die eine kombinierte Chemo-/Misteltherapie erhielten, ein signifikant längeres Überleben aufweisen als Patient*innen, die nur mit einer Chemotherapie behandelt wurden. Diese Real-World Data Studienergebnisse sollten durch randomisierte prospektive Studien ergänzt werden.
Bar-Sela et al. 2013 [76]
In diese randomisierte Phase-II-Studie wurden Patient*innen mit inoperablem nicht-kleinzelligem Lungenkarzinom (NSCLC) unter Therapie mit Gemcitabin/Carboplatin oder mit Premetrexed/Carboplatin eingeschlossen. Sie wurden durch 1:1-Randomisation in zwei Gruppen eingeteilt. Die eine Gruppe mit 33 Patient*innen erhielt zusätzlich den Mistelextrakt Iscador Qu, die andere Gruppe mit 39 Patient*innen erhielt keine begleitende Therapie. Ziel dieser Studie war es zu prüfen, ob die Misteltherapie die chemotherapiebedingten Nebenwirkungen verringern sowie die Lebensqualität verbessern kann.
Die Patient*innen in der Misteltherapiegruppe wiesen signifikant weniger chemotherapiebedingte Nebenwirkungen auf, was zur Folge hatte, dass auch signifikant mehr Chemotherapie-Zyklen gegeben werden konnten. Die progressionsfreie Zeit betrug in der Kontrollgruppe 4,8 Monate, in der Misteltherapiegruppe 6 Monate; das Gesamtüberleben lag bei 13,3 (Kontrolle) bzw. 15,9 Monaten (Verumgruppe). Wegen der kleinen Fallzahl waren diese Unterschiede jedoch nicht signifikant.
Die Messung der Lebensqualität ergab bis auf die Angabe zu „Schmerzen in der Schulter“ immer einen Vorteil für die Patient*innen in der Misteltherapiegruppe.
Es gab nur eine Nebenwirkung vom Grad II in der Misteltherapiegruppe in Form einer übergroßen Lokalreaktion an der Einstichstelle. Somit konnte die Therapie als sicher eingestuft werden.
Die additive Gabe eines Mistelpräparates parallel zur Chemotherapie kann die chemotherapiebedingten Nebenwirkungen bei Patient*innen im späten Stadium des NSCLC mindern. Diese Ergebnisse sollten in größeren Phase-III-Studien verifiziert werden.
Piao et al. 2004 [31]
Die Ergebnisse dieser Studie für Patient*innen mit nicht-kleinzelligem Lungenkarzinom werden im Abschnitt Mammakarzinom besprochen.
Lee et al. 2019 [290]
In diese retrospektive Studie wurden im Zeitraum zwischen 2008 und 2015 52 Patienten mit Lungenkarzinom und malignen Pleuraergüssen einer Pleurodese mit dem Mistelpräparat Helixor M anstelle von Talkum unterzogen. Als primäres Studienziel wurde das Wiederauftreten eines Pleuraergusses einen Monat nach dem letzten Pleurodeseverfahren definiert. Dazu wurden am Tag 1 100 mg Mistelextrakt über einen Pleurakatheter instilliert. War das Verfahren beim ersten Mal unwirksam, wurde es jeden zweiten Tag bis zu fünf Mal wiederholt und die Dosis des Mistelextraktes um jeweils 100 mg erhöht.
Das mediane Alter der Patient*innen mit Lungenkarzinom betrug 63 Jahre und 77 Prozent waren männlich. Die am häufigsten vorkommende histopathologische Diagnose war ein Adenokarzinom bei 36 (69%) Patient*innen, gefolgt von einem Plattenepithelkarzinom bei 7 (13%), einem nicht-kleinzelligen Lungen-Karzinom bei 5 (10%) und einem kleinzelligen Lungen-Karzinom bei 4 (8%) Patient*innen. Etwa 85 Prozent der Pleuraergüsse wurden durch eine zytogenetische Untersuchung als bösartig eingestuft.
42 (81%) der 52 Patient*innen konnten hinsichtlich eines rezidivierenden malignen Pleuraergusses ausgewertet werden. Die 1-Monats-Rezidivrate betrug 48 Prozent (20/42). Von den 20 Patient*innen, die einen rezidivierenden malignen Pleuraerguss entwickelten, benötigten 6 eine therapeutische Pleurapunktion. Dreizehn (25%) Patient*innen hatten behandlungsbedingte Schmerzen, die eine Medikation erforderlich machten. Acht (15%) Patient*innen zeigten Temperaturen von über 38 °C.
Die Patient*innen erhielten zur Pleurodese im Median drei Instillationen von Helixor M, sechs Patient*innen bekamen fünf Instillationen. Von diesen sechs Patient*innen waren zwei therapieresistent, sie sprachen also auf die maximale Behandlung nicht an.
Die Erfolgsquote der Pleurodese mit Helixor M bei der Behandlung eines rezidivierenden malignen Pleuraergusses betrug 52 Prozent. Obwohl die Daten keine der Talkum-Pleurodese überlegenen Ergebnisse zeigten, waren die Ergebnisse der Pleurodese mit Helixor vergleichbar mit denen der Pleurodese mit anderen Wirkstoffen wie Bleomycin oder Tetracyclin.
Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass die Pleurodese mit dem Mistelpräparat Helixor als eine wirksame und verträgliche Alternative zur Behandlung von malignen Pleuraergüssen bei Patient*innen mit Lungenkarzinom angesehen werden kann.
Chang et al. 2020 [314]
Es erfolgte eine retrospektive Datenanalyse von 56 Patienten mit bösartigem Pleuraerguss, die nach einer Thorakostomie entweder eine chemische Pleurodese mit Talkum (30 Patient*innen) oder dem Mistelextrakt AbnobaVISCUM Fraxini (26 Patient*innen) erhielten, um deren klinischen Verlauf und das Ansprechen nach der Pleurodese zu analysieren.
Die Körpertemperatur, Anzahl an Leukozyten und CRP-Werte waren nach der Talkum-Pleurodese erhöht. So sieg die Körpertemperatur von 36,6 ± 0,3 auf 37,7 ± 0,7 °C, die Leukozytenzahl von 7.100 ± 2.930 auf 12.046 ± 6.210 Zellen/mm3 und das CRP von 9,62 ± 8,85 auf 16,09 ± 9,04 mg/dl. Der mittels numerischer Bewertungsskala (NRS) gemessene Schmerzgrad erhöhte sich von 1,4 ± 1,1 auf 2,7 ± 1,3. Nach der Talkum-Pleurodese dauerte es 4,6 ± 4.2 Tage, bis die Thoraxdrainage entfernt werden konnte. Die Gesamtdrainagemenge betrug 476 ± 601 ml.
Die Viscum-Pleurodese zeigte ein ähnliches Muster wie die Talkum-Pleurodese. So stieg die Körpertemperatur von 36,7 ± 0,4 auf 37,7 ± 0,6 °C, die Leukozytenzahl von 8.450 ± 2.680 auf 14.110 ± 5.203 Zellen/mm3 und das CRP stieg von 4,75 ± 4,35 auf 12,3 ± 6,6 mg/dl. Der Schmerzgrad erhöhte sich von 2,0 ± 1,5 auf 2,5 ± 1,7 und es dauerte 5,2 ± 4,2 Tage, bis die Thoraxdrainage entfernt werden konnte. Die Gesamtdrainagemenge betrug 756 ± 1048 ml.
Hinsichtlich der endgültigen Ansprechrate nach der Pleurodese zeigten 36,7 Prozent in der Talkum-Gruppe und 60,0 Prozent in der Viscum-Gruppe ein vollständiges Ansprechen, 56,7 % in der Talkum-Gruppe und 36,0 Prozent in der Viscum-Gruppe ein teilweises Ansprechen und 6,7 Prozent in der Talkum-Gruppe und 4,0 Prozent in der Viscum-Gruppe sprachen nicht auf die Pleurodese an.
Es wurde ein akutes Atemnotsyndrom und eine Pneumonitis in der Talkum-Gruppe und ein akutes Atemnotsyndrom in der Viscum-Gruppe festgestellt. Todesfälle aufgrund der Pleurodese traten nicht auf. Die Pleurodese mit Talkum geht aber mit leichteren Nebenwirkungen wie Schmerzen und Fieber und schweren Komplikationen wie Lungenverletzungen einher und obwohl die Intensität der von den Patient*innen empfundenen Schmerzen und der Grad der Veränderung der Messwerte im Zusammenhang mit dem Fieber in den beiden Gruppen ähnlich waren, empfanden die Patient*innen in der Viscum-Gruppe die Schmerzen und das Fieber als weniger beeinträchtigend als die Patient*innen in der Talkum-Gruppe, was darauf hindeutet, dass sie den Eingriff in der Regel besser vertragen haben.
Die Viscum-Pleurodese zeigte vergleichbare Behandlungsergebnisse wie die Talkum-Pleurodese, während die unerwünschten Wirkungen wie Brustschmerzen und Fieber in der Viscum-Gruppe als geringer eingestuft wurden.