Immunmodulierende Eigenschaften von Mistelextrakten

Effekte von Mistelextrakten auf immunkompetente Zellen des unspezifischen und spezifischen Immunsystems wie NK-Zellen, Monozyten, Makrophagen, Antigen-präsentierende Zellen, T-Lymphozyten (T-Zellen) inklusive T-Helfer-Zellen, neutrophile und eosinophile Granulozyten, dendritische Zellen sowie eine Reihe von Zytokinen sind heute eindeutig belegt.

Ursprünglich wurde in erster Linie das Mistellektin I (ML I) für die verschiedenen immunologischen Reaktionen verantwortlich gemacht, heute ist aber bekannt, dass neben weiteren Mistellektinen wie ML III und chitinbindendem ML auch andere Komponenten wie Viscotoxine, Oligo- und Polysaccharide immunmodulierend wirken [175, 194, 195, 211, 212].

Die Aktivierung des unspezifischen Immunsystems nach subkutaner Injektion bewirkt dabei eine Akute-Phase-Reaktion mit Anstieg der neutrophilen Granulozyten und die Aktivierung des spezifischen Immunsystems und ist durch die Produktion von Antikörpern gegen Mistelinhaltsstoffe (Aktivierung von B-Zellen), eine Vermehrung der Anzahl an T-Helferzellen und den Anstieg der eosinophilen Granulozyten im Blut gekennzeichnet.

Dendritische Zellen (DC) sind potente Antigen-präsentierende Zellen und geben die von ihnen erlangte Information über Dendriten an T- und B-Lymphozyten weiter und aktivieren diese. In in vitro-Experimenten konnte gezeigt werden, dass ML-haltige Mistelextrakte die Reifung von dendritischen Zellen beschleunigen und die immunsupprimierende Wirkung von Tumorzellfaktoren auf dendritische Zellen neutralisieren können [213].

 

Letzte Aktualisierung: 3. Feburar 2024/AT

Effekte auf Zellen des unspezifischen Immunsystems

Die Aktivierung von Zellen des unspezifischen Immunsystems wie NK-Zellen, Makrophagen und Granulozyten durch Mistelextrakte mittels einer Akute-Phase-Reaktion ist mittlerweile durch zahlreiche in vitro- und in vivo-Studien gut belegt. Ebenso wurde ein Anstieg von proinflammatorischen Zytokinen wie Tumor-Nekrose-Faktor (TNF-alpha), IL-1 oder IL-6 unter Exposition von Mistelextrakten sowohl in vitro als auch bei Tumorpatienten und gesunden Probanden beobachtet, und zwar sowohl für lektinreiche als auch für lektinarme bzw. viscotoxinreiche Extrakte [211, 214, 215, 216].

In einer randomisierten doppelblinden placebokontrollierten Studie an 47 gesunden Probanden, die zwölf Wochen lang Iscador Qu spezial (Mistellektin-reich, ML-reich), Iscador P (ML-arm) oder Placebo (physiologische Kochsalzlösung) erhielten, konnte gezeigt werden, dass unter der Gabe des ML-reichen Extraktes die Produktion von Granulocyte/Macrophage-Colony Stimulating Factor (GM-CSF) durch mononukleäre Zellen im peripheren Blut (PBMC) signifikant ansteigt [215]. GM-CSF ist für die Reifung und Rekrutierung der Vorläuferzellen von Granulozyten und Monozyten aus dem Knochenmark sowie deren Aktivierung verantwortlich und stellt einen wichtigen Faktor für die Freisetzung der eosinophilen Granulozyten aus dem Knochenmark dar [217].

Die verstärkte Freisetzung von GM-CSF könnte daher sowohl die Aktivierung von Zellen des unspezifischen Immunsystems erklären, als auch den unter der Therapie zu beobachtenden Anstieg der Leukozyten (insbesondere der Neutrophilen) und eosinophilen Granulozyten [211, 212]. Auch gibt es Hinweise dafür, dass die Gabe von Mistelextrakten einer postoperativen Suppression von Granulozyten und NK-Zellen entgegenwirkt [218, 219].

 

Letzte Aktualisierung: 27. Februar 2023/AT1

Einfluss auf Monozyten und Makrophagen

Das Monozyten-/Makrophagensystem kann durch verschiedene Mistelsubstanzen (Gesamtextrakte, isolierte Mistellektine, Kuttan'sche Peptide, Oligosaccharide, Polysaccharide) auf unterschiedlichen Wegen direkt und indirekt aktiviert werden. Es werden Antigen-präsentierende Funktionen stimuliert, kostimulierende Moleküle verstärkt exprimiert, die Phagozytoseaktivität und Zytotoxizität erhöht, Zytokine induziert und die antitumorale Wirksamkeit der Makrophagen/Monozyten verbessert [220].

In verschiedenen Untersuchungen konnte gezeigt werden, dass Mistellektine bevorzugt an Monozyten/Makrophagen binden. Dabei bewirkt die Bindung eine Erhöhung des intrazellulären Kalziums und eine Stimulation der Synthese und Freisetzung von Zytokinen (TNF-α, IL-1α, IL-1β, IL-6) sowohl durch einzelne Lektine als auch durch isolierte A- und B-Ketten [221]. Wurden Makrophagen mit Mistellektinen inkubiert, konnte eine dosisabhängige Steigerung der Phagozytosefähigkeit gemessen werden [202].

Die antitumoralen Wirkungen von Mistelextrakten wurden häufig in Verbindung mit einem Anstieg der Monozyten/Makrophagen festgestellt und schon die alleinige Gabe von durch Mistelextrakt aktivierten Makrophagen zeigte im Tierversuch antitumorale Wirkungen [175].

Auch durch den Transfer von in vivo-aktivierten Makrophagen von gesunden Mäusen in tumortragende Tiere konnte die Überlebenszeit der an Tumoren erkrankten Mäuse verdoppelt werden. Dieser Effekt konnte mit nicht-aktivierten Makrophagen nicht erzielt werden [202]. Auch wird vermutet, dass die anti-angiogenetische Wirkung von Mistelextrakten durch eine TNF-α-Ausschüttung von Makrophagen bedingt ist [175].

 

Letzte Aktualisierung: 27. Februar 2023/AT1

Einfluss auf Granulozyten

Mistelextrakte können Granulozyten in vitro direkt aktivieren. Hier erwiesen sich die Viscotoxine als besonders effektiv, indem sie bei menschlichen Granulozyten sowohl die Phagozytose als auch den oxidativen Burst signifikant verstärkten. Hierzu waren sämtliche Viscotoxine und auch verschiedene Mistelgesamtextrakte in der Lage, nicht aber isolierte Mistellektine.

Aber auch viscotoxinfreie Mistelextrakte konnten Granulozyten signifikant aktivieren (oxidativer Burst und Phagozytose). Wurden Granulozyten mit Mistelextrakten und Viscotoxinen inkubiert, kam es zu einer additiven Verstärkung der Granulozyten-Aktivierung, sodass zwei verschiedene Wege der Granulozyten-Aktivierung als möglich angesehen werden: Zum einen scheinen Granulozyten durch Mistelextrakt unabhängig von Viscotoxinen oder Mistellektinen aktiviert zu werden; zum anderen scheint der Aktivierungsweg über den Mistelgesamtextrakt und das Viscotoxin zu führen [175, 202, 222].

 

Letzte Aktualisierung: 27 Februar 2023/AT1

Einfluss auf NK-Zellen

Die immunmodulierende Wirkung von Mistelinhaltstoffen (Gesamtextrakte, Polysaccharide, Lektine, Kuttan'sche Peptide, Viscotoxine) ist auch durch eine Erhöhung von Anzahl und Aktivität der NK-Zellen gekennzeichnet, die ihre Zielzellen wie Tumorzellen, virusinfizierte Zellen oder Mikroorganismen durch Freisetzung zytotoxischer Substanzen und Induktion der Apoptose vermehrt abtöten können.

Ebenso zeigen mistelaktivierte NK-Zellen im Tierversuch eine stärkere antitumorale Wirkung als nicht-mistelaktivierte NK-Zellen [175, 202, 223]. So konnte in einem Experiment an Mäusen, denen bestimmte Melanomzellen injiziert wurden, eine starke Abnahme der Metastasierung festgestellt werden, wenn sie vier Stunden nach der Tumorzellinjektion in vivo-aktivierte Milzzellen von gesunden, mistelbehandelten Mäusen injiziert bekamen. Zudem erhöhte sich ihre Überlebenszeit signifikant [224].

Darüber hinaus konnte von derselben Forschergruppe gezeigt werden, dass auch in vitro mit einem Mistelextrakt aktivierte Milzzellen eine Metastasierung signifikant reduzieren und die Überlebenszeit von Mäusen deutlich verlängern. Die Verabreichung normaler, nicht mistelaktivierter Milzzellen hatte dagegen keinen Effekt [224, 225, 226].

Auch einzelne Inhaltstoffe der Mistel haben einen Einfluss auf die NK-Zellen in vitro. So führte das aus der Mistelpflanze isolierte Polysaccharid Rhamnogalakturonan zu einer über eine spezifische Brückenbindung zwischen den Effektorzellen und den Tumorzellen bedingten Erhöhung der Zytotoxizität von NK-Zellen.

Ebenso erhöhten Oligosaccharide über die Freisetzung von Lymphokinen indirekt die Zytotoxizität von CD56+ NK-Zellen [202].

Auch isolierte Viscotoxine führten in einer nicht zytotoxischen Konzentration zu einer deutlichen Steigerung der Zytotoxizität von NK-Zellen gegenüber verschiedenen Tumorzelllinien, wobei der Mechanismus hier bisher nicht aufgeklärt werden konnte [227].

Im Gegensatz zu den anderen Mistelinhaltsstoffen überwiegen bei den isolierten Mistellektinen die zytotoxischen Eigenschaften gegenüber einzelnen Lymphozytensubpopulationen. So konnte bei einer Analyse der Lymphozyten-Subsets nach 72 Stunden Inkubation schon bei einer Mistellektinkonzentration von 1ng/ml in der Reihenfolge ML III > ML II > ML I eine deutliche selektive Abnahme des NK-Zellanteils (CD16+ / CD56+ CD3) in der Zellkultur beobachtet werden. Innerhalb der anderen T-Zell-Subsets traten dagegen keine wesentlichen Veränderungen auf. Ebenso blieb das Verhältnis zwischen T- und B-Zellen gleich. Das präferenzielle Abtöten von NK-Zellen konnte vollständig durch anti-Mistellektin-Serum unterdrückt werden.

Die NK-Zellen scheinen somit eine besonders Mistellektin-sensible Population unter den lymphoiden Zellen zu sein [228]. In einer Studie an 40 Patient*innen mit operablem Mamma- oder kolorektalem Karzinom wurde untersucht, wie sich eine Misteltherapie auf die absolute Anzahl an NK-Zellen sowie deren Aktivität sowohl gegen K562-Zellen als auch gegen die eigenen Tumorzellen auswirkt und ob eine Korrelation mit dem klinischen Verlauf und der Lebensqualität der Patient*innen besteht. Die absolute Anzahl der NK-Zellen im peripheren Blut erhöhte sich. Patient*innen ohne Progression hatten eine signifikant höhere NK-Zellaktivität gegen K562-Zellen als Patient*innen mit Progression. Innerhalb der Gruppe mit Progression zeigten aber nur Patient*innen des Stadiums IV eine verringerte Zellfunktion. Die NK-Zellaktivität gegen K562-Zellen zeigte keinen Zusammenhang mit der Anzahl der NK-Zellen, aber es konnte eine negative Korrelation zwischen der NK-Zellaktivität und der Progression der Tumorerkrankung festgestellt werden Eine Korrelation zwischen der NK-Zellfunktion und dem klinischen Verlauf bzw. der Lebensqualität bestand nicht [229].

 

Letzte Aktualisierung: 27. Februar 2023/AT1

Effekte auf Zellen des spezifischen Immunsystems

Mistelextrakt-spezifische Antikörperproduktion und Lymphozytenproliferation

Bereits Ende der 80er Jahre konnte gezeigt werden, dass Probanden, die eine subkutane Injektion eines Mistelextraktes erhielten, Antikörper gegen ML I bilden [230], da die Injektion von Mistelextrakten für das Immunsystem eine Konfrontation mit Fremdantigenen bedeutet.

Ebenso zeigte sich, dass die Therapie mit Mistelextrakten zu einer spezifischen Proliferation von Lymphozyten führt, also sowohl das humorale als auch das zelluläre Immunsystem aktiviert wird. Diese Induktion einer spezifischen Immunantwort wurde zunächst hauptsächlich dem ML I zugeschrieben. Inzwischen ist aber bekannt, dass es auch zur Anregung der Lymphozytenproliferation und Bildung von Antikörpern durch ML II, ML III oder Viscotoxine kommen kann [212, 231, 232].

Diese Antikörper treten bei Tumorpatienten unter einer Misteltherapie und auch bei gesunden Probanden auf, die über einen längeren Zeitraum mit Mistelextrakten behandelt wurden. Die Antikörper sind dabei vorwiegend vom IgG-Isotyp (IgG1 und IgG3), die anti-ML I- und anti-ML III-Antikörper können aber in seltenen Fällen auch vom IgE-Typ sein [211, 212, 215, 231]. 

In späteren Jahren konnte aus Mistelextrakten ein weiteres Lektin, das sogenannte chitin-bindende Mistellektin (cbML) identifiziert werden. Gegen dieses Lektin werden unter einer Misteltherapie bei Tumorpatient*innen und gesunden Probanden ebenfalls Antikörper induziert, die alleinig zur IgG-Klasse gehören.

Auch konnte bei der Inkubation von Lymphozyten mit cbML in vitro eine Zunahme der Proliferation beobachtet werden. Eine interessante Beobachtung war hierbei, dass Antikörper gegen das cbML auch bei Personen nachgewiesen werden konnten, die noch nie mit Mistelextrakten in Berührung kamen. Dies steht im Gegensatz zu den immunologischen Reaktionen gegenüber ML I, ML III oder Viscotoxinen, die bisher ausschließlich bei Individuen nachgewiesen werden konnten, die bereits Kontakt mit Mistelextrakten hatten, wofür vermutlich Kreuzreaktionen verantwortlich sind [211, 212, 233].

 

Letzte Aktualisierung: 27.Februar 2023/AT1

Einfluss auf dendritische Zellen

Dendritische Zellen stellen die wichtigsten antigenpräsentierenden Zellen des menschlichen Immunsystems dar, die in ihrer Wächterfunktion eine Brücke zwischen dem unspezifischen und spezifischen Immunsystem bilden. Sie spielen bei der Bewältigung einer Tumorerkrankung eine bedeutende Rolle und entstehen entweder aus Monozyten oder aus myeloiden Vorläuferzellen [234, 235].

In in vitro-Untersuchungen mit menschlichen Blutzellen konnte gezeigt werden, dass ML-haltige Mistelextrakte die Reifung von dendritischen Zellen beschleunigen können [236] und dass Lymphozyten, die mit dendritischen Zellen ko-inkubiert wurden, durch diese stimuliert wurden [234].

In vitro konnte zudem gezeigt werden, dass Mistelextrakte die immunsupprimierende Wirkung von Tumorzellfaktoren auf dendritische Zellen neutralisieren konnten [236], woraus sich möglicherweise ein Grundprinzip ergibt, wie Mistelpräparate via Immunsystem gegenüber Tumoren wirken könnten.

Die von dendritischen Zellen aktivierten B-Zellen produzieren im Verlauf einer Misteltherapie Antikörper gegen die verschiedenen Antigene des Mistelextraktes wie ML-Antikörper, Viscotoxin-Antikörper etc. [232], die die Wirkung teilweise neutralisieren, sodass die Lokalreaktionen im Verlauf einer gleichbleibenden Misteltherapie mit der Zeit nachlassen können [237].

 

Letzte Aktualisierung: 27. Februar 2023/AT1

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