Die Misteltherapie bei verschiedenen Tumorentitäten

Das introspektive Erleben einer Misteltherapie bei Patient*innen mit Krebserkrankungen: eine qualitative Studie

Mascher et al. 2023 [341]

Patientinnen und Methodik

Das subjektive Erleben von an Krebs erkrankten Patient*innen, die sich einer Misteltherapie unterziehen, ist für ein ganzheitliches Verständnis von zentraler Bedeutung, bisher aber kaum wissenschaftlich untersucht worden. In diese qualitative, explorative, monozentrischen Studie wurden 20 ambulante Tumorpatien*tinnen eines schweizerischen onkologischen Zentrums eingeschlossen. Primäres Ziel war die Untersuchung des subjektiven Erlebens der Proband*innen während einer Misteltherapie. Es handelte sich dabei um 11 Patient*innen mit Mamma-, drei mit Prostata-, zwei mit Kolorektal-, zwei mit Ovarialkarzinom und zwei mit malignem Melanom. Bei acht Patient*innen wurden mehrere Tumoren und/oder Metastasen diagnostiziert. Neunzehn Patient*innen erhielten zum Zeitpunkt der Befragung gleichzeitig auch andere Therapien wie allopathische oder naturheilkundliche Arzneimittel oder Nahrungsergänzungsmittel und bei sechs Patient*innen wurden auch noch onkologische Standardtherapien angewandt.

Die subkutane Misteltherapie mit Iscador erfolgte für mindestens zwei Jahre (Median 7,5 Jahre). Die Daten wurden durch zwei halbstrukturierte, detaillierte Interviews pro Patient*in erhoben, die Interviews aufgezeichnet und mittels qualitativer Analyse ausgewertet. Die individuellen Erfahrungen mit der Misteltherapie wurden in Bezug auf sechs vordefinierte Dimensionen des menschlichen Erlebens wie die körperliche, vitale, emotionale, mentale, spirituelle und soziale Ebene analysiert. Zusätzlich erfolgte eine Evaluierung der drei dimensionsübergreifenden Perspektiven Wärme, Immunstärkung und allgemeines Wohlbefinden. 

Ergebnisse

Die Datenanalyse ergab ein breites Spektrum an Erfahrungen von Krebspatient*innen mit der Misteltherapie. Dabei wurde die Bedeutung spezifischer Aspekte deutlich, wie z.B. eine gesteigerte Vitalität zur Bewältigung des Alltags, eine größere emotionale und mentale Stabilität, Wärme als multidimensionales Phänomen, Gefühle von Sicherheit und Geborgenheit durch die Misteltherapie, gesteigerte Selbstwahrnehmung und verbesserte Selbstfürsorge sowie ein Empfindungen von spiritueller Verbundenheit. Das von den Teilnehmer*innen beschriebene vielschichtige, durch die Misteltherapie hervorgerufene, Gefühl von Wärme, das nicht nur das physische thermische Wohlbefinden beinhaltete, sondern auch die emotionale und spirituelle Ebene berührte, wurde besonders hervorgehoben. Letztere beiden wurden als „warme Gefühle“ bis hin zu einer bewussten Verbindung mit dem Körper und einem gesteigerten Körperbewusstsein beschrieben. Darüber hinaus betonten die Teilnehmer*innen den emotionalen Aspekt des Gefühls der Geborgenheit durch die Misteltherapie, ebenso wie das Gefühl der Zuversicht „von außen“, das zu einer weiteren Mobilisierung innerer Kräfte wie Selbstvertrauen, Selbstwirksamkeit und einer bewussteren Wertschätzung der eigenen Person führte. 

Fazit

In dieser Studie wurde untersucht, welche Beobachtungen von Krebspatient*innen, die eine Misteltherapie in Anspruch nehmen, auf verschiedenen Erfahrungsebenen gemacht wurden. Dies führt zu einem tieferen Verständnis der Patient*innen, um sie sowohl während der Misteltherapie als auch auf ihrer «Patient Journey» begleiten zu können. Allerdings sollten die Ergebnisse durch weitere Untersuchungen zu den Wirkungen der Misteltherapie auf der emotionalen, mentalen und spirituellen Ebene verifiziert werden. Für diese erste Evaluierung wäre es zudem wünschenswert, sie durch weitere psychometrische Untersuchungen in ein klar operationalisierbares Konzept zu überführen.

 

Auswirkungen einer ergänzenden Misteltherapie auf die Lebensqualität von Patient*innen mit Mamma-, Ovarial- und nicht-kleinzelligem Lungenkarzinom – eine prospektive randomisierte kontrollierte klinische Studie

Piao et al. 2004 [31]

Patient*innen und Methodik

Diese nach Good Clinical Practice (GCP)-Kriterien (Kriterien der guten klinischen Praxis) durchgeführte multizentrische, randomisierte, offene, prospektive, klinische Studie ermittelte die Lebensqualität und Verträglichkeit einer Polychemotherapie in Verbindung mit einer Misteltherapie.

Eingeschlossen wurden 233 Patient*innen mit Mamma- (n = 68), Ovarial- (n= 71) und nichtkleinzelligem Lungenkarzinom (NSCLC, n = 94). Von den ursprünglich 233 rekrutierten Patient*innen konnten 9 nicht in die endgültige Auswertung aufgenommen werden, da sie die Einschlusskriterien nicht in allen Punkten erfüllten, sodass letztendlich 224 Patient*innen für die Auswertung zur Verfügung standen.

Alle Patient*innen wurden mit einer Standard-Polychemotherapie behandelt. Die Verumgruppe (n = 115) erhielt zusätzlich Helixor A, das dreimal pro Woche in ansteigender Dosierung von 1 mg bis 200 mg subkutan verabreicht wurde. Die Kontrollgruppe (n = 109) erhielt stattdessen das in China und Japan gebräuchliche Immunstimulans Lentinan, das eine nachgewiesene Wirksamkeit auf die Lebensqualität besitzt. Die Patient*innen der beiden Therapiearme waren hinsichtlich Geschlecht, Alter, Tumorart, Tumorstadium und konventioneller Therapien vergleichbar.

Die Lebensqualität wurde anhand von drei unterschiedlichen, validierten Fragebögen bzw. Indizes bestimmt (Functional Living lndex-Cancer = FLIC, Karnofski Performance Index = KPI, Traditional Chinese Medicine Index = TCMI). Der Einfluss der Misteltherapie auf die Verträglichkeit der Chemotherapie wurde durch einen Gruppenvergleich der unerwünschten Ereignisse, die auf Nebenwirkungen der Chemotherapie zurückzuführen waren, untersucht. Die Auswertungen wurden nicht getrennt nach Tumorentitäten vorgenommen.

Ergebnisse

Die Verbesserung der Lebensqualität unter der zusätzlichen Misteltherapie war signifikant stärker ausgeprägt als die bei der Kontrolltherapie unter zusätzlichem Lentinan (p < 0,05), auch traten unter Misteltherapie signifikant weniger chemotherapiebedingte Nebenwirkungen auf. Der Karnofsky-Index verbesserte sich bei 50,4 Prozent der Patient*innen in der Verumgruppe und bei 32,4 Prozent in der Kontrollgruppe, was statistisch signifikant war (p = 0,002). 

Unter der Misteltherapie besserten sich insbesondere Müdigkeit, Schlaflosigkeit, Appetitlosigkeit, Übelkeit und Schmerzen. Es traten 52 unerwünschte Ereignisse in der Misteltherapiegruppe und 90 in der Lentinan-Gruppe auf, davon waren 28 bzw. 77 chemotherapiebedingt; bei 5 bzw. 10 Fällen war der Verlauf schwer.

Die meisten misteltherapie-spezifischen Nebenwirkungen waren Überreaktionen an der Einstichstelle, die selbstlimitierend waren und keine therapeutische Intervention benötigten.

Fazit

In dieser nach GCP-Kriteriendurchgeführten, prospektiv randomisierten Studie konnte bei Patient*innen mit Mamma-, Ovarial- und nichtkleinzelligem Lungenkarzinom eine deutliche Verbesserung der Lebensqualität und eine Reduktion chemotherapiebedingter Nebenwirkungen unter Chemotherapie plus Misteltherapie im Vergleich zu Chemotherapie plus Lentinan festgestellt werden.

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